AUTOVIA

11 songs – 68min – English/French/German

GEORGE LEITENBERGER – “AUTOVÍA”

CD, offizielle VÖ September 2016

Dauer: 68 Minuten

Nominiert für den Preis der deutschen Schallplattenkritik:

Musiker:
Nadine Allal – backing vocals
Michaël Chapon – Schlagzeug
Henri Don Jeany – E-Bass, E-Gitarre, Sounds
Klaus Eichberger – Piano, Akkordeon, Orgel
Sébastien Gross – Kontrabass
George Leitenberger – Gitarren, Banjo, Guitalele, Harp, Vocals
Roddy McKinnon – Mandoline, Gitarre, backing vocals
Charlotte Mercier – Violine
Marie Mercier – Bassklarinette, backing vocals

Studio: Coda Productions, Henri Don Jeany, Blvd. Carl Vogt, Genève
Mix: Henri Don Jeany, George Leitenberger
Produzent: George Leitenberger
Alle Songs von George Leitenberger, ausser “Mit aufrechtem Gang” – Text und Musik von Franz-Josef Degenhardt

Kommentar zu “AUTOVÍA” – von George Leitenberger

“AUTOVÍA” eine Sammlung von elf Stücken, manche kurz, manche lang, manche bewusst Einflüsse und Anklänge zitierend, manche fliessend, manche hippelig, manche monoton, manche munter. Manche der sogenannten Wurzeln liegen im Mississippi Delta, manche im Berlin der 1920-er-Jahre, manche in den Appalachians, manche in der Levante, manche in der französischen Musette.

Das Album öffnet mit

WETTERLEUCHTEN
Marokko. Ein Mann steht am Fenster des Bahnhofshotels und sieht am Horizont einen Zug näher kommen, weit entfernt flackert Wetterleuchten hinter den Bergen. Im Vordergrund die geschlossenen Eisenbahnschranken. Davor und dahinter die Wartenden.Der innere Monolog eines Beobachters, der sich wünscht, unsichtbar zu sein und der das Geschehende und das Geschehene parallel reflektiert.

Musik: George schrubbt zwei Akkorde auf der J-200 und im Chorus ein paar Pickings auf der Guitalele, Klaus’ Piano “manzarek-ed”, Maries Bassklarinette zaubert einen dunkler werdenden Abendhimmel hinter die Worte.

WETTERLEUCHTEN – mp3-teaser:

2. GENÈVE (“ville de l’humanité”)
Genève la belle! Stadt der Menschenrechte, Stadt von Rousseau, Calvin, Dunant und Servet. Stadt, in die Jorge Luis Borges zum Sterben kam, Stadt der unzähligen Sprachen…und heute Stadt der Ölhändler, der Scheichs, der Grossbourgoisie. Ein Diplomatenmekka mit wunderschönen (geschlossenen) Türen zu unbezahlbaren Wohnungen. Eine Stadt, die jeder irgendwie zu kennen glaubt, die aber ihre Geheimnisse für sich behalten will. Die Stadt, in der ich seit 12 Jahren lebe.
Musik: Ein bewusst gediegenes Tänzchen im 6/8-Takt.

GENÈVE – mp3-teaser:

3. THE WAY THE WEST IS WON
Das Lied ist eine Umkehrung der alten mythengespickten Geschichte von der Eroberung des Wilden Westens: “How the West was Won”. Seit 9/11 erobert sich “der Westen” selber und ist dabei, seine offenen Gesellschaften zu deformieren durch Aushöhlung der Menschenrechte und permanente militärische Interventionen.Und im Inneren durch die jederzeit mögliche permanente Überwachung von dir und von mir.

Musik: Hillbilly-music aus den amerikanischen Appalachians, ein Stew aus Scottish, German, Irish und African immigrant music. Als Gast konnten wir Maries Schwester Charlotte dazu bringen, es als klassisch geschulte Geigerin mal mit Hillbilly zu versuchen – es war das ein reines Vergnügen. Roddy zirpt mit seiner 1929er F-4 Mandoline, George pickt 5-string-banjo und seine 1964er J-50, Klaus spielt blues-licks auf dem Klavier, Sébastien zupft den Kontrabass.

THE WAY THE WEST IS WON – mp3-teaser:

4. AUTOVÍA
Die deutsche Wendung “zum Sterben schön” drückt ihn wohl am besten aus, den Moment, in dem man sich unsterblich verliebt.

Musik: Ein bisschen Bruce von “Tom Joad”, seinem besten Album. Die J-200 in open D, Klaus am Klavier, Michaël mit unkonventionellen Schlagzeug-Tupfern auf dem Tama.

AUTOVÍA – mp3-teaser:

5.LOOKING FOR AMERICA
Auf der Suche nach der “Baby Bar” des nachts in Spokane, Washington State. Unterwegs in einer Kultur, in der ein einzelner Fußgänger den Verdacht einer Polizeistreife erregt. Man fällt auf – als Europäer.

Musik: Ein klein wenig Early-Nineties-feel auf der J-50. Henri spielt Hendrix-licks auf der Tele, George sein Epi-5-string-Banjo und die J-50.

LOOKING FOR AMERICA – mp3-teaser:

6.BIGDATORES
Edward Snowden, ein grosser Amerikaner, drückt es so aus:
“Under observation we act less free, which means we effectively are less free.”
BIGDATORES ist ein Wortklon aus Big Data, Diktatur und Conquistatores. Bigdatores werden in zunehmendem Mass unser Verhalten bestimmen, öffentlich sowieso und privat leider auch – kein angenehmer Gedanke. Aber wohl die Zukunft.

Musik: Ska-offbeats auf der Mando, Charlotte spielt eine recht rasante Geige, die zuweilen eine Brecht/Weill-ige Polka verströmt. Klaus hält das ganze Stück mit seinen Keyboard-Figuren zusammen.

BIGDATORES – mp3-teaser:

7.HEAVENS
HEAVENS ist eine Forderung nach Gedankenfreiheit im Angesicht von Fanatikern, die ihre Selbstverwirklichung durch Selbstaufgabe erreichen wollen.

Musik: J-50 in open G, Henri verstreut ear-candy auf der Tele, Roddy zupft elegische Lines auf der Mando, Klaus webt einen Soundteppich auf dem Akkordeon und spielt zarte Pianokaskaden.

HEAVENS – mp3-teaser:

8. MIT AUFRECHTEM GANG
Ein Cover des Degenhardt-Traktats. Mag sein, dass es noch eine Zeit dauern wird, aber wenn künftige Historiker die Seiten ihrer Arbeit schreiben wollen, in denen es um die Gemütsverfassung der alten BRD in den 60ern und 70ern geht, dann werden sie sich ohne Zweifel anhand der Songs und Schriften dieses grossen deutschen Sprachmagiers in das zerrissene Herz der Bonner Republik vortasten können.

Musik: Wir haben uns erlaubt, Karratschs Ballade in einen hypnotischen Blues zu kleiden. Die J-50 spielt ein monotones Blues-lick, Sébastiens Kontrabass wummert, Henri spielt Knopfler-licks von Sultans of Swing rückwärts auf der Tele, Michaël touchiert das Tama, dazu ein paar Hammond-sounds und Harp.

MIT AUFRECHTEM GANG – mp3-teaser:

9. BIZOUS FLY
Ein privates Lied für George’s kleine Tochter Zora-Lou zu ihrem 4. Geburtstag. “Look Papa, I’m making the sun with my eyes” – lachend gesprochen an einem grauen Februartag: das Wunder des Lebens. Bizous ist das französische Wort für Kuss, das FLY dazu stammt auch von Zora-Lou und das Ganze bedeutet Luftkuss.

Musik: Ein simpler Happy-Song in 4/4.

BIZOUS FLY – mp3-teaser:

10. THE KEY TO TEA
Noch ein kleines Lied über die Freuden einer sehr privaten 5 o’clock tea-time auf einer äolischen Insel vor Sizilien.

Musik: Die Band dudelt Bossa-esque, Henri spielt diesmal andere Hendrix-licks auf der J-50, Marie ein steinerweichendes Schmuse-Solo auf der Bassklarinette.

THE KEY TO TEA – mp3-teaser:

Und das Album schliesst mit

11. VON WEGEN
Der Film von Claude Sautet ist vorbei, eine Frau verlässt das Kino. Sie schlendert lange durch die Stadt und geht schliesslich in eine Bar. Sie hat die Brücken verbrannt zu Menschen, die sie hintergingen, durch Verzweiflung gelernt zu Vergeben, aber beschlossen, sich nichts mehr gefallen zu lassen – auch nicht von sich selber. Gewissermassen eine Fortsetzung des Songs “Auf Reisen” vom 2007er Album “Stiller die Spur”.

Musik: Die grosse Ballade in open D. George pickt die Jumbo in dieser an eine Harfe erinnernden Stimmung, nur ganz zum Schluss zeigt sie ihren unglaublich vollen Sound, wortwörtlich “zum Ausklang”. Klaus, der wieder seine perlenden Klavierläufe spielt, die, wie so oft, das ganze Stück in ihrer eigenen leichten Unaufdringlichkeit tragen. Die Stimmlage ist im Grude genommen eine Oktav zu hoch für George. Ein erster Übungs-Take ohne Drops, den wir aber drauf liessen, weil er es irgendwie schaffte, die Spannung in dieser recht langen Erzählung zu halten.

VON WEGEN – mp3-teaser:

 

George Leitenberger & Co. have been playing together since 2011, presenting tri-lingual song-based programmes in Germany, Switzerland and France. The band also recorded the “staggering”  AUTOVÍA– album in 2016 which received outstanding revues and a nomination for the German Record Critics’ Award. You’ll find youtube-links in the concerts-section.

Photo by Clarissa Mo

The AUTOVÍA-band from left to right:

Sébastien Gross, double-bass; Roddy McKinnon, mandolin & guitar; George Leitenberger, vocals, guitars, harp, banjo; Zora-Lou Allal, percussion; Nadine Allal, backing vocals & co-writing; Marie Mercier, bass-clarinet; Klaus Eichberger, accordion & piano; Michaël Chapon, drums & percussion. Not in the picture: Henri Don Jeany, electric bass & guitar; Charlotte Mercier, violin; Clarissa Mo, electric bass; Ralf von Mohn, drums.